Retrodant.blogspot.com - die 70er - 90er Jahre im Rückblick

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Dienstag, 27. Oktober 2015

C64 All Stars Vol.07 : River Raid oder Verkrampfung durch Videospiele.


River Raid – Seine Rolle in der Geschichte der Videospiele.

 

1984 war in der Geschichte der Videospiele ein in mehrerer Hinsicht bemerkenswertes Jahr. Die damals populären Heimcomputer- und Videospielsysteme wie C64, Atari oder auch Schneider CPC hatten sich innerhalb weniger Jahre ähnlich einer Epidemie in die Kinderzimmer dieser Republik verbreitet. Videospiele waren zumindest bei den Heranwachsenden zu einem Massenphänomen geworden – kaum ein damaliger Pausenhof denkbar, wo nicht die neuesten Videospiele und Hinweise zu ihrer Lösung ausgetauscht wurden.
Was wenige Jahre zuvor noch eine Sache von wenigen interessierten Technikfreunden (heute würde man diese wohl als Nerds bezeichnen) gewesen war – der ZX81 als erster Heimcomputer im heutigen Sinne musste 1980 schließlich noch selbst zusammen gelötet werden – war spätestens mit Erscheinen des C64 oder Atari XL eine Angelegenheit für Jedermann. Einschalten, Spiel in den Massenspeicher eingelegt und die Zockerei konnte sofort und ohne Vorwissen losgehen. Fast Jedermann hatte schnell Zugang zu einem Heimcomputersystem und Jedermann wollte im Umkehrschluss etwas von dem finanziellen Kuchen abhaben. Der quasi über Nacht entstandene Massenmarkt wollte bedient werden – angetrieben von einem Goldgräber Enthusiasmus begannen immer mehr teilweise über Nacht formierte Firmen in immer schnellerer Abfolge mit der Produktion von Computer- und Videospielen.

Wenn ein neues soziales Feld entsteht, lässt staatliche Intervention zumeist nicht lange auf sich Warten. Waren die Computerspiele zumindest zu Beginn noch weitgehend sich selbst überlassen, begannen alsbald besorgte Eltern- und Lehrerverbände vor dem verrohenden Einfluss des neuen Mediums zu warnen. Spiele mit Gewaltelementen formen Menschen zum laxen Umgang mit Gewalt – so die damals wie auch teilweise heute besonders in der Tageszeitung mit den vier Buchstaben gerne verbreitete These. Videospiele waren zu dieser Zeit noch weitgehend ein Jugend kulturelles Phänomen ohne Lobby. Derartige Felder benutzen staatliche Institutionen gerne zur Demonstration von Wählerstimmen maximierender Handlungsmacht. 
Am 19.12.1984 war es dann endlich soweit; mit River Raid wurde von der BpjS (Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften) in Deutschland das erste Computerspiel indiziert. Dieses aus heutiger Sicht recht harmlose vertikale Ballerspiel stand damals im Verdacht, zu physischer Verkrampfung, Ärger, Aggressivität und sogar Kopfschmerzen zu führen (vgl. hierzu : BPjS-Aktuell Heft 2/84). Grund genug, dieses immerhin bis 2002 indizierte Spiel in der heutigen Ausgabe der C64 All – Stars im Selbstversuch etwas genauer vorzustellen.

River Raid – Spielprinzip.

  

In diesem in der Atari 2600 Version von der Firma Activision bereits 1980 veröffentlichten und 1984 für den C64 adaptierten Spiel übernimmt der Verkrampfungs geneigte Nachwuchs Wütterich die Rolle eines Kampfpiloten. Die auch damals etwas monotone Landschaft scrollt vertikal auf den Spieler zu – fortan heißt es töten oder getötet werden. Während des Fluges durch teilweise sakrisch enge Felsenlandschaften muss abgeballert werden, was nicht bei drei aus dem Bildschirm gescrollt ist. Namentlich sind dies vor allem feindliche Panzer, Helikopter, Flugzeuge, Ballone und Jets. Vor allem ist in diesem Zusammenhang eigentlich ein unnötiges Füllwort, den andere Gegner Klassen kommen in dem Spiel nicht vor. Rudimentär kommt in dem Spiel auch etwas Taktik vor. Flüge in das Feindesland bedürfen Treibstoff – und dieser nimmt natürlich stetig ab. Ratsam, also die Treibstoffanzeige im Auge zu behalten und herumliegende Treibstofftanks stetig einzusammeln.
Jedes Level ist einmal zu Ende. Diese alte Videospielweisheit trifft auch bei River Raid zu. Hier muss zu Ende jedes Spielabschnittes eine Brücke eingenommen werden, wo zumeist resoluter agierende Feindformationen auf die Erlegung warten.

 River Raid – Grafische Darstellung.

 

 Die grafische Darstellung des Spieles war bereits 1984 eher hausbacken und grafische Abwechslung ein Fremdwort. Die vertikal vorbei scrollenden Schluchten schauen auch in späteren Levels stets relativ ähnlich aus und sind stets aus nur wenigen grafischen Grundelementen zusammengesetzt. Auch an den wenigen Gegnern hat man sich alsbald sattgesehen. Diese sind grafisch recht schlicht gehalten und nur wenig animiert. Hier war auf dem C64 durchaus mehr möglich (vgl. beispielsweise Uridium oder später dann auch die Turrican Reihe). Das eigene Flugzeug bietet ebenfalls wenig Anlass zur grafischen Entzückung. Einfarbig königsblau und ohne jegliche Details erinnert es eher an eine Kinderkrizzelei mit Kugelschreiber als an ein Kampfflugzeug.
Immerhin, das Bildschirm Scrolling ist schnell und absolut ruckelfrei programmiert. Teilweise sogar sehr schnell , den bei hoher Fluggeschwindigkeit gerät man zugegeben in einen kleinen Geschwindigkeitsrausch. 

River Raid – Steuerung.


Gesteuert wird das Spiel in der C64 Version mit einem Joystick. Die Steuerung ist hierbei sehr einfach und intuitiv. Die Funktion des Feuerknopfes dürfte selbst erklärend sein. Bewegt man den Steuerknüppel nach vorne, beschleunigt das eigene Flugzeug. Mitunter zum Erreichen des nächsten Treibstoff Tanks auch bitter nötig. Richtig geraten, Steuerknüppel zurück bremst die Fluggeschwindigkeit ab. Mit Links und Rechts kann man sowohl Flugzeug als auch abgefeuerte Schüsse in die entsprechende Richtung lenken. Nicht unwichtig, den des öfteren ist bei dem Spiel taktisches Schießen von Nöten.
Die Steuerung ist bei River Raid gut gelöst. Sie ist einfach zu lernen und funktional durchdacht.

River Raid – 2 Spieler Modus.


River Raid besitzt auch einen zwei Spieler Modus. Allerdings können die Kontrahenten leider nicht gleichzeitig zu Werke gehen. Vielmehr wird nacheinander agiert. Sobald Spieler 1 entweder am Felsen zerschellt oder vom Feind getroffen wurde, ist der zweite Spieler an der Reihe.

River Raid – Musikalische Untermalung.


Der C64 wurde nicht zuletzt wegen seiner für damalige Verhältnisse sehr guten Sound Fähigkeiten (SID Chip) zum massenhaften Erfolg. Sogar Samples kamen bereits bei vielen Spielen zum Einsatz. In dieser Dimension ist River Raid ein Totalausfall. Auf Hintergrundmusik wurde gänzlich verzichtet. Lediglich beim Schießen oder Explodieren sind ein paar rudimentäre Soundeffekte zu hören. Hier wäre deutlich mehr möglich gewesen (vgl. beispielsweise 1943).

River Raid – Schwierigkeitsgrad.


Der Schwierigkeitsgrad des Spieles ist als gehoben zu bezeichnen. Ungeübtere Spieler werden durch die teilweise sehr engen Schluchten und durchaus intelligent agierenden Gegner Formationen recht schnell relativ gefordert werden. Gerade in höheren Levels geht der Treibstoff ebenfalls sehr schnell zur Neige. Neue Treibstofftanks sind hier dann oft sehr spärlich gesät.

River Raid – Auf dem PC


Wer River Raid selbst einmal ausprobieren möchte und keinen C64 mehr zu Hause herumstehen hat, kann dies unter riverraid.org jederzeit kostenlos tun. Hier steht neben der C64 Version auch die Atari und Spectrum Variante zum Download bereit. Diese werden auf dem PC mit den Pfeiltasten gesteuert. „Feuer“ wird hier mit der Leertaste ausgelöst. 

 River Raid – Zusammenfassende Kritik.



River Raid bekommt durchschnittliche 3 von 5 Punkte. Damals wie heute – die grob gezeichnete und sich rasch wiederholende Grafik ist alles andere als nett anzuschauen. Über den nicht vorhandenen Sound braucht an dieser Stelle auch nicht weiter diskutiert werden. Und trotzdem – das Spiel macht wegen seines flotten Scollings und der taktischen Ebene mit den Treibstofftanks durchaus Freude. Der fordernde Schwierigkeitsgrad tut hier sein übriges. Ehe man sich versieht, erwischt man sich dabei, noch einen Versuch zu starten. Und dann noch einen. Entgegen der Aussagen der Bundesprüfstelle konnte ich beim River Raid spielen bei mir allerdings weder Kopfschmerzen noch ein Ansteigen meiner Aggressivität feststellen. Zweites bestenfalls, wenn ich daran denke, wie mangelhafte grafische Ausgestaltung aus einem an sich sehr guten Spiel ein durchschnittliches werden lassen. Oder dem Staat fast jedes Politikfeld recht ist, um Handlungsmacht zu demonstrieren...
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