River Raid – Seine Rolle in der Geschichte der Videospiele.
1984 war in der
Geschichte der Videospiele ein in mehrerer Hinsicht bemerkenswertes
Jahr. Die damals populären Heimcomputer- und Videospielsysteme wie
C64, Atari oder auch Schneider CPC hatten sich innerhalb weniger
Jahre ähnlich einer Epidemie in die Kinderzimmer dieser Republik
verbreitet. Videospiele waren zumindest bei den Heranwachsenden zu
einem Massenphänomen geworden – kaum ein damaliger Pausenhof
denkbar, wo nicht die neuesten Videospiele und Hinweise zu ihrer
Lösung ausgetauscht wurden.
Was wenige Jahre
zuvor noch eine Sache von wenigen interessierten Technikfreunden
(heute würde man diese wohl als Nerds bezeichnen) gewesen war –
der ZX81 als erster Heimcomputer im heutigen Sinne musste 1980
schließlich noch selbst zusammen gelötet werden – war spätestens
mit Erscheinen des C64 oder Atari XL eine Angelegenheit für
Jedermann. Einschalten, Spiel in den Massenspeicher eingelegt und die
Zockerei konnte sofort und ohne Vorwissen losgehen. Fast Jedermann
hatte schnell Zugang zu einem Heimcomputersystem und Jedermann wollte
im Umkehrschluss etwas von dem finanziellen Kuchen abhaben. Der quasi
über Nacht entstandene Massenmarkt wollte bedient werden –
angetrieben von einem Goldgräber Enthusiasmus begannen immer mehr
teilweise über Nacht formierte Firmen in immer schnellerer Abfolge
mit der Produktion von Computer- und Videospielen.
Wenn ein neues
soziales Feld entsteht, lässt staatliche Intervention zumeist nicht
lange auf sich Warten. Waren die Computerspiele zumindest zu Beginn
noch weitgehend sich selbst überlassen, begannen alsbald besorgte
Eltern- und Lehrerverbände vor dem verrohenden Einfluss des neuen
Mediums zu warnen. Spiele mit Gewaltelementen formen Menschen zum
laxen Umgang mit Gewalt – so die damals wie auch teilweise heute
besonders in der Tageszeitung mit den vier Buchstaben gerne
verbreitete These. Videospiele waren zu dieser Zeit noch weitgehend
ein Jugend kulturelles Phänomen ohne Lobby. Derartige Felder
benutzen staatliche Institutionen gerne zur Demonstration von
Wählerstimmen maximierender Handlungsmacht.
Am
19.12.1984 war es dann endlich soweit; mit River Raid
wurde von der BpjS (Bundesprüfstelle für jugendgefährdende
Schriften) in Deutschland das erste Computerspiel indiziert. Dieses
aus heutiger Sicht recht harmlose vertikale Ballerspiel stand damals
im Verdacht, zu physischer Verkrampfung, Ärger, Aggressivität und
sogar Kopfschmerzen zu führen (vgl. hierzu : BPjS-Aktuell Heft
2/84). Grund genug, dieses immerhin bis 2002 indizierte Spiel in der
heutigen Ausgabe der C64 All – Stars im Selbstversuch etwas genauer
vorzustellen.
River Raid – Spielprinzip.
In diesem in der Atari 2600 Version von der Firma Activision bereits 1980 veröffentlichten und 1984 für den C64 adaptierten Spiel übernimmt der Verkrampfungs geneigte Nachwuchs Wütterich die Rolle eines Kampfpiloten. Die auch damals etwas monotone Landschaft scrollt vertikal auf den Spieler zu – fortan heißt es töten oder getötet werden. Während des Fluges durch teilweise sakrisch enge Felsenlandschaften muss abgeballert werden, was nicht bei drei aus dem Bildschirm gescrollt ist. Namentlich sind dies vor allem feindliche Panzer, Helikopter, Flugzeuge, Ballone und Jets. Vor allem ist in diesem Zusammenhang eigentlich ein unnötiges Füllwort, den andere Gegner Klassen kommen in dem Spiel nicht vor. Rudimentär kommt in dem Spiel auch etwas Taktik vor. Flüge in das Feindesland bedürfen Treibstoff – und dieser nimmt natürlich stetig ab. Ratsam, also die Treibstoffanzeige im Auge zu behalten und herumliegende Treibstofftanks stetig einzusammeln.
Jedes Level ist einmal zu Ende. Diese
alte Videospielweisheit trifft auch bei River Raid zu. Hier
muss zu Ende jedes Spielabschnittes eine Brücke eingenommen werden,
wo zumeist resoluter agierende Feindformationen auf die Erlegung
warten.
River Raid – Grafische Darstellung.
Die grafische Darstellung des Spieles war bereits 1984 eher hausbacken und grafische Abwechslung ein Fremdwort. Die vertikal vorbei scrollenden Schluchten schauen auch in späteren Levels stets relativ ähnlich aus und sind stets aus nur wenigen grafischen Grundelementen zusammengesetzt. Auch an den wenigen Gegnern hat man sich alsbald sattgesehen. Diese sind grafisch recht schlicht gehalten und nur wenig animiert. Hier war auf dem C64 durchaus mehr möglich (vgl. beispielsweise Uridium oder später dann auch die Turrican Reihe). Das eigene Flugzeug bietet ebenfalls wenig Anlass zur grafischen Entzückung. Einfarbig königsblau und ohne jegliche Details erinnert es eher an eine Kinderkrizzelei mit Kugelschreiber als an ein Kampfflugzeug.
Immerhin, das Bildschirm Scrolling ist
schnell und absolut ruckelfrei programmiert. Teilweise sogar sehr
schnell , den bei hoher Fluggeschwindigkeit gerät man zugegeben in
einen kleinen Geschwindigkeitsrausch.
River Raid – Steuerung.
Gesteuert wird das Spiel in der C64
Version mit einem Joystick. Die Steuerung ist hierbei sehr einfach
und intuitiv. Die Funktion des Feuerknopfes dürfte selbst erklärend
sein. Bewegt man den Steuerknüppel nach vorne, beschleunigt das
eigene Flugzeug. Mitunter zum Erreichen des nächsten Treibstoff
Tanks auch bitter nötig. Richtig geraten, Steuerknüppel zurück
bremst die Fluggeschwindigkeit ab. Mit Links und Rechts kann man
sowohl Flugzeug als auch abgefeuerte Schüsse in die entsprechende
Richtung lenken. Nicht unwichtig, den des öfteren ist bei dem Spiel
taktisches Schießen von Nöten.
Die Steuerung ist bei River Raid gut
gelöst. Sie ist einfach zu lernen und funktional durchdacht.
River Raid – 2 Spieler Modus.
River Raid besitzt auch einen zwei
Spieler Modus. Allerdings können die Kontrahenten leider nicht
gleichzeitig zu Werke gehen. Vielmehr wird nacheinander agiert.
Sobald Spieler 1 entweder am Felsen zerschellt oder vom Feind
getroffen wurde, ist der zweite Spieler an der Reihe.
River Raid – Musikalische Untermalung.
Der C64 wurde nicht zuletzt wegen
seiner für damalige Verhältnisse sehr guten Sound Fähigkeiten (SID
Chip) zum massenhaften Erfolg. Sogar Samples kamen bereits bei vielen
Spielen zum Einsatz. In dieser Dimension ist River Raid ein
Totalausfall. Auf Hintergrundmusik wurde gänzlich verzichtet.
Lediglich beim Schießen oder Explodieren sind ein paar rudimentäre
Soundeffekte zu hören. Hier wäre deutlich mehr möglich gewesen
(vgl. beispielsweise 1943).
River Raid – Schwierigkeitsgrad.
Der Schwierigkeitsgrad des Spieles ist
als gehoben zu bezeichnen. Ungeübtere Spieler werden durch die
teilweise sehr engen Schluchten und durchaus intelligent agierenden
Gegner Formationen recht schnell relativ gefordert werden. Gerade in
höheren Levels geht der Treibstoff ebenfalls sehr schnell zur Neige.
Neue Treibstofftanks sind hier dann oft sehr spärlich gesät.
River Raid – Auf dem PC
Wer River Raid selbst einmal
ausprobieren möchte und keinen C64 mehr zu Hause herumstehen hat,
kann dies unter riverraid.org jederzeit kostenlos tun. Hier steht
neben der C64 Version auch die Atari und Spectrum Variante zum
Download bereit. Diese werden auf dem PC mit den Pfeiltasten
gesteuert. „Feuer“ wird hier mit der Leertaste ausgelöst.
River Raid – Zusammenfassende Kritik.
River Raid bekommt durchschnittliche
3 von 5 Punkte. Damals wie heute – die grob gezeichnete und
sich rasch wiederholende Grafik ist alles andere als nett
anzuschauen. Über den nicht vorhandenen Sound braucht an dieser
Stelle auch nicht weiter diskutiert werden. Und trotzdem – das
Spiel macht wegen seines flotten Scollings und der taktischen Ebene
mit den Treibstofftanks durchaus Freude. Der fordernde
Schwierigkeitsgrad tut hier sein übriges. Ehe man sich versieht,
erwischt man sich dabei, noch einen Versuch zu starten. Und dann noch
einen. Entgegen der Aussagen der Bundesprüfstelle konnte ich beim
River Raid spielen bei mir allerdings weder Kopfschmerzen noch ein
Ansteigen meiner Aggressivität feststellen. Zweites bestenfalls,
wenn ich daran denke, wie mangelhafte grafische Ausgestaltung aus
einem an sich sehr guten Spiel ein durchschnittliches werden lassen.
Oder dem Staat fast jedes Politikfeld recht ist, um Handlungsmacht zu
demonstrieren...
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